Kann ich meinen Feind lieben?

Sa 04.03.2023

Mt 5:43-48 Bergpredigt: Die Feindesliebe.

„Feindesliebe“, kenne ich sie?

Die erste Frage, die ich habe, ist: Kenne ich denn die Liebe?

Liebe ist ein so großer Begriff, dass ich ungern darüber spreche. Ich konzentriere mich darauf, was Jesu Wirken auf Erden über Jesu Verständnis des Begriffes andeutet.

Ein paar Schlaglichter:

Bei keiner Heilung eines Menschen fragt Jesus, ob dies ein guter Mensch ist.
Seine Jünger sind zumeist aus der Arbeiterschicht. Aber auch ein radikaler Nationalist ist dabei. Ebenso ein Kollaborateur.

Er wirkte für Menschen, die Ihn nicht verstehen – über Jahre wandelte Er mit Ihnen. Er wirkte Wunder, die ebenso zumeist mißverstanden wurden. Er opferte sich auch für Menschen, die schrieen: „Dein Blut komme über uns“.

Selbst wenn ich die Feindesliebe ausklammere: Wo gibt es heute Liebe?

Ich meine nicht die selbstbezogene Liebe, die in der Schwärmerei offenbar wird. Nicht die abhängige Liebe oder die Wärme, die aus der Kameradschaft, der langen Gemeinschaft folgt. Oder gar das reine Verlangen nach dem Abenteuer des Anderen.

Ich denke, es ist oft noch in der Eltern-Kind-Beziehung der Fall. Wenn die Nagelprobe in der Pubertät und im weiteren Leben auch oft anderes offenbart.

Zudem sehe ich es öfter in der Pflege von Angehörigen.

Und ich denke, es ist in einzelnen Akten, die in einem herausfordernden Moment getan werden.

Mir scheint, meine Liebe drückt sich am besten in dem Satz von Johannes dem Täufer aus: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.(Joh 3,30)“.

Ich nehme in der Welt, in meinem Selbstbezug, ab und lasse den Anderen wachsen.

Ja – den Anderen.

Denn in dem ich das tue, wird Jesus sichtbar.

Eine verantwortliche Hingabe meiner Selbst soll eine Übergabe meiner selbst sein (keine Nichtung).

Bei allen Vollzügen, besonders auch den gut gewollten (oder gar gut gemeinten), lauert die Eitelkeit hinter der Ecke.

Wenn ich z. B. übe meine Frau zu lieben, habe ich voraussichtlich etwas davon. Sie ist dankbar und gibt mir die Liebe verwandelt zurück.

Wenn ich nun den liebe, der mir nichts zurückgibt, ist dieser indirekte Nutzen verstellt. Es ist dann kein taktisches Lieben mehr.

Lieben kann nur ein Liebender. Jemand, der wesenhaft liebt, weil er „aus dem Material (Substanz) Liebe gemacht ist“.

Die Liebe der Welt berührt vielleicht die Liebe des Himmels und mag sich manchmal ein wenig vermischen. Aber ihr Wesen ist anders. Sie braucht die eigene Existenz aus sich selbst heraus. Das aber braucht die Liebe des Reiches Gottes nicht. Sie kann als Existenz in der Welt „abnehmen“ (Jesus nennt es sterben).

Solange meine Akte der Liebe wesenhaft weltlich sind, werde ich wenig zum Wachtum des Reiches Gottes beitragen. Es kommt auf die innere Zielrichtung an.

Das Merkmal der Zielrichtung ist, ob es mir egal ist, ob der, der meine Liebe braucht (der Andere) mein Feind ist oder nicht. Ich liebe nicht zu einem Zweck, sondern weil ich ein Liebender bin.

Ich denke an die letzten Andachten. An das Thema: Wer bin ich dem Anderen. Wenn ich z. B. Sohn bin, ist der Andere erst wahrhaftig Vater.

Wenn ich einem Menschen ein Liebender bin, ist dieser ein Geliebter. Ein geliebter Mensch ist ein wertvoller Mensch und das in ihm, was Gottes „ich will, dass du seiest“ ausmacht (genaueres Zitat von Augustinus: „Ich liebe dich,- ich will, dass du seiest, was du bist“).

Wie sehr ist doch der Kampf jedes Menschen der Kampf um genau dies: zu wissen, zu spüren, dass es gut ist, dass er da ist, dass es ihn gibt. Das aber kann er nur durch einen freien Anderen erfahren.

Ich begegne ihm liebend in der Welt die er kennt – aus einer Welt die er nur ahnt.

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