Der „gute Samariter“ hatte die Liebe nicht

Mo 09.10.2023

Lk 10:25-37 „Der gute Samariter“

Der Schriftgelehrte, der Jesus nach dem ewigen Leben fragt, erhält als Antwort etwas, das er wirklich noch nicht wußte.

Er sagt zwar: „Du sollst‭‭ Gott‭, deinen‭ HERRN‭, lieben‭‭ von‭ ganzem‭ Herzen‭,‭ von‭‭ ganzer‭ Seele‭,‭ von‭ allen‭‭ Kräften‭ und‭ von‭‭ ganzem‭ Gemüte‭ und‭ deinen‭ Nächsten‭ wie‭ dich selbst‭.‭”

Aber er wußte nicht, wer sein Nächster ist.

Denn wer selbst liebt, macht den Nächsten zum Objekt seiner Liebe. Das aber ist nicht die Liebe, von der Jesus redet.

Martin Buber beschreibt es präzise in seinem Buch „Ich und Du“.

Hier eine Zusammenfassung: Ich und Du

Ich zitiere eine wichtige Passage:

Gefühle wohnen im Menschen, aber der Mensch wohnt in der Liebe

Gefühle begleiten das metaphysische und metapsychische Faktum der Liebe, aber sie machen sie nicht aus; und die Gefühle, die es begleiten, können sehr verschiedener Art sein. Das Gefühl Jesu zum Besessenen ist ein andres als das Gefühl zum Lieblingsjünger; aber die Liebe ist eine. Gefühle werden »gehabt«; die Liebe geschieht. Gefühle wohnen im Menschen, aber der Mensch wohnt in seiner Liebe. Das ist keine Metapher, sondern die Wirklichkeit: Die Liebe haftet dem Ich nicht an, so daß sie das Du nur zum »Inhalt«, zum Gegenstand hätte, sie ist zwischen Ich und Du.

Die Versuchung des Helfens

Hilfe an sich kann schnell ein Erledigen sein – bis zu einem sich entledigen.

Hilfe kann das Ego fördern, denn ich helfe.

Hilfe kann den anderen entmündigen. Wie oft ist Hilfe anmaßend.

Nicht „Haben oder Sein“ (Erich Fromm)

Sondern das Haben ist, um zu geben.

Das Sein ist, um zu begegnen.

Denn selbstverkrümmtes Sein ist sterbendes Sein.

Praxis

Wenn man einen Fisch aus dem Wasser holt, zappelt er furchtbar. Er will ins Wasser, er will leben, es ist ein Todeskampf.

Wenn ich einen „zappelnden“ Menschen sehe – soll ich nach Ruhe rufen? Stört er mich in meiner Selbstliebe. Mir geht es nicht gut, wenn du hier rumschreist.

Gestern stand ich bei uns an der Straße. Sportwagen fuhren vorbei – oder besser: sie röhrten vorbei. Es war ein ganzer Schwarm (vielleicht 30 tolle Autos).

Die Menschen wollen sich spüren, wollen sich vielleicht auch in ihrem ungesehen sein durch äußeres darstellen. Ein Zappeln nach Lebendigkeit.

Wir hatten ein Treffen meiner Bruderschaft in unserem Haus und meine Tochter berichtete in einem Vortrag von ihrer Arbeit im Hospitz Buchholz.

Manche in unserer Bruderschaft sind alt. Besonders einer von ihnen, 90 Jahre alt, sprach später, was ihm dieses Erzählen bedeutet.

Nach einem langen Zurückweichen vor dem Thema „Übergang“ durfte dieser Übergang nun Platz nehmen im Haus des Herzens.

Dies Erleben war mehr als mit 300 PS in einem 100.000 EUR Auto durch den Ort zu fahren.

Öl auf die Wunden

Was gibt es denn herrlicheres, als Öl auf Wunden zu gießen? Es ist doch nicht ein Opfer, sondern es ist das Leben in Fülle.

Ein überfließendes Leben, ganz sinnbildlich und ganz konkret.

Verstopft durch Selbstliebe

Wer sich selbst liebt, wird stumpf.

Gestern sprach Pastor Johannes von dem Schmerz vieler Herzen, dem Hunger und der Armut, den es gerade auch in christlichen Kreisen gibt.

Vielleicht auch, weil jeder nur nach seinem Wohlbefinden fragt, schwärmerisch „seinen“ Gott feiert.

Aber der ist garnicht da. Er ist nämlich oft nicht zu Hause.

Er ist bei dem einsamen Menschen – der vielleicht neben mir in der Bank sitzt.

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