Verzehrt werden

Sa 03.02.2024 Nes Amim, Israel

Mk 6:30-34 Sie fanden keine Zeit zum Essen.

Vielleicht hätte ich diesen Text kaum verstanden, ohne das Erleben der vergangenen Nacht.

Doch zunächst der Text:

Die Jünger haben getan, was ihnen aufgetragen war. Wohl zum ersten Mal in dieser Weise nur zu zweit, ohne Jesus.

Jesus erkennt ihre Belastung, zumal es hier mindestens ebenso weitergeht. Menschen kommen und gehen. Auch das wieder gehen, spielt eine Rolle.

Jedes kennenlernen, jedes Nahe kommen erfordert Kraft. Diese wird normalerweise durch die Freunde der Gemeinschaft, der Vertrautheit ausgeglichen. Neue Begegnung ist Anstrengung, Trennung ist Schmerz.

Es sieht so aus, dass Jesus seine Jünger und sich schützen möchte, regenerieren möchte. Ein wenig Fürsorge für sich selbst. Ein natürlicher, erlaubter Impuls. Rückzug in die vertraute Nähe. In die Ruhe, die Jüngergemeinschaft, zur Stille mit dem Vater.

Jesus kennt die Zukunft im Detail nicht. Sein Plan dem zu entweichen, indem sie gemeinsam mit einem Boot in die Einsamkeit fahren, hat nicht nur keinen Erfolg – es sind mehr Menschen da als zuvor.

Aber nun:

Jesus sah (oîda erkennen) das große Volk. Es jammerte Ihn, drehte Ihm die Eingeweide um. Der Blick auf den Anderen.

Es folgt eine lange Predigt.

Keine weitere Flucht mehr – Auslieferung.

Mein Traum

In unruhigem Traum erlebte ich Ansprüche an mich, eigenes helfen wollen an gleichzeitigen Stellen und eine nicht enden wollende Flut an Fremdbestimmung.

Es hat etwas mit meinem aktuellen Gefühl hier vor Ort zu tun. Viele kleine Dinge und Selbstansprüche strömen auf mich ein und ich spüre etwas, was vermutlich ähnlich dem Text ist.

Drei Phasen

Mir scheint, es gibt drei Phasen des Selbst-seins.

a) Wachsen

Die Phase des Nutzens für mein Wachstum. Was habe ich davon. Ich meine das positiv. Geistiges Wachstum braucht Selbstfürsorge.

Welcher Ort hilft mir, welche Freunde, welche Begegnungen sind gut. Wo lerne ich?

b) Erhalt

Geben und Empfangen. Aktivität und Ruhe. Eine wunderbare Zeit der Wirksamkeit.

Die Jünger wandern durch die Welt mit der Vollmacht Jesu und kommen mit Jubel zurück.

In dieser Phase gibt es auch das Erleben selbst. Schönheit und Natur. Vielleicht Musik und Kunst.

c) Verzehrt werden.

Als ich solches bei Heiligen gelesen habe, erschien es mir fragwürdig.

Aber bei M. Delbrêl habe ich doch die Richtigkeit gespürt.

Nicht eine suchtartige Verausgabung, sondern die Annahme der Sondersituation, der Fügung Gottes.

Jesus hat die Menschenmenge nicht gesucht, ja er ist ihr ausgewichen.

Dann aber: Er sah.

Verzehrt werden ist nicht das Natürliche, nicht das anzustrebende. Menschen mit Burn-out Syndrom sind nicht dorthin geführt worden.

Aber in einer Welt, in der die Menschen in der Weise leiden, wie das sehende Auge Jesu es sah, dort kann es geschehen, dass die Fügung Gottes zum Verzehr an innerer Substanz führt.

Die freiwillige Hingabe an die Fremdbestimmung im Gehorsam darf sich auch schwer anfühlen.

Ich denke aber an die ca. 100 Geiseln, die seid etwa 120 Tagen vollkommen fremdbestimmt existieren müssen. Und an deren Angehörige.

Ich spüre eine Furcht vor weitergehender Einfühlung.

Der Anhänger, den ich trage, ist hebräisch und englisch. Ich dachte, eine Übersetzung. Auf der Shabbat Feier gestern fragte mich jemand was da steht. Ich erfuhr, dass der hebräische Text etwas anderes sagt, als der englische.

In etwa: Unser Herz ist gefangen (in Gaza). Und in english, also vielleicht in die Welt: Bring sie nach Hause.

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