Mo 10.11.2025
Lk 17:1-6 Verführung zur Sünde; Kraft des Glaubens
Der Text
Aus dem griechischen Urtext:
1 Er sprach aber zu Seinen Jüngern: Es ist unmöglich, dass keine Anstöße kommen; wehe aber dem, durch den sie kommen!
2 Es wäre ihm nützlicher, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde, als dass er einem dieser Kleinen Anstoß gibt.
3 Hütet euch selbst! Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht; und wenn er umkehrt, vergib ihm.
4 Und wenn er siebenmal am Tag gegen dich sündigt und siebenmal zu dir zurückkehrt und sagt: Ich bereue es – sollst du ihm vergeben.
5 Und die Apostel sagten zum Herrn: Mehre uns den Glauben!
6 Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, würdet ihr sagen zu diesem Maulbeerbaum: Werde entwurzelt und gepflanzt im Meer!, und er würde euch gehorchen.
Ich nehme zunächst die letzten beiden Verse.
Inwiefern ist Jesu Antwort eine Antwort?
Auf den ersten Blick scheinen mir Jesu Worte keine Hilfe.
Eher hängt Jesus die Latte so hoch, dass ich ernüchtert davor stehen bleibe.
Auch der ähnliche Text von Matthäus (Mt 17:20) und Markus (Mk 11:22-23) erschrecken zunächst mehr, als dass sie helfen.
Weiche ich dem Text aus – oder stelle ich mich ihm.
Sprachliche Hilfe
Das hebräische Wort für Senfkorn ist:
חַרְדָּל – chardál
Die Wurzel: ח־ר־ד (ḥ–r–d) bedeutet „zittern, beben, erschrecken“.
Verwandte Wörter: חָרֵד – chared = der „Gottesfürchtige“, wörtlich: „der Zitternde vor Gott“.
→ Vgl. Jesaja 66,2: „Ich blicke auf den Demütigen und Zitternden (ha-chared) vor Meinem Wort.“
Der Glaubende ist also einer, der sich bewegt – von Ehrfurcht und Vertrauen zugleich. (Mit Hilfe der KI).
Eine andere Welt
Das erinnert an den Mühlstein aus dem Vers zwei.
Auch dort werde ich zitternd, wenn ich mir die ungeheure Konsequenz des Umgangs mit Glauben bewusst zu machen versuche.
Ja, versuche. Denn ich merke, wie schwer es mir fällt, dieser erschreckenden Welt Jesu mein Angesicht zuzuwenden.
Was ist eigentlich, wenn Gott mein Leben von mir fordert und Rechenschaft über die Gaben, die Zeit meines Lebens und den Umgang mit der Gnade verlangt?
Wird mich da das Zittern einholen, was ich in meinem bisherigen lässigen und selbstverliebten Leben nicht hatte?
Woran erkenne ich, dass ich glaube?
Welchen Maulbeerbaum hat mein Glaube versetzt?
Der Maulbeerbaum gilt als besonders widerstandsfähig. Schneidet man ihn ab, treibt er wieder aus, denn er ist tief verwurzelt.
Man kann Dinge durch Wollen, Arbeiten und Disziplin ändern – das ist dann aber nicht aus Glauben.
Manche Dinge ändern sich ohnehin oder die Umstände nehmen mir die Arbeit ab – das ist auch kein Glaube.
Was gibt es in meinem Leben, das wirklich wegen des Glaubens an Dich grundlegend anders geworden ist?
Es gibt Dinge, aber wenige. Sie sind wie einsame Wegmarken, mit großen Pausen dazwischen. Es ist nicht mein Alltag.
Zuletzt ist Israel einer dieser Wegmarken geworden.
Gottesfurcht
Zwei Beine tragen mich zu Dir.
Es ist die Liebe – und es ist die Gottesfurcht.
Ich spüre, wie die Furcht vor der Welt und dem Leben in Konkurrenz zur Gottesfurcht steht.
Dabei möchte ich nicht, dass es eine Furcht um mich selbst ist.
Sondern darum, Dein Herz zu verletzen. Dein Herz, dass in meine Hand die Sorge um Familie und Brüder, um die Männer, die Kirche und auch um Deutschland gelegt hat.
Die Tapferkeit, die Du mir gibst, verwende ich sie nicht zumeist für mich?
Schaue ich zu Boden, weil ich der Gabe in meiner Hand nicht recht traue, die ich als Auf-gabe erkenne, wenn ich hinschaue?
Es ist besser, zu zittern und zu handeln, als in einem Kuschelbett der Gnade einzuschlafen und mit dem Anblick auf Leid und Schuld aufzuwachen, das meine Hände versäumt haben zu verhindern.
Anhang
Hier ist eine Übersicht zur hebräischen Wurzel ח־ר־ד (ḥ–r–d), aus der das Wort חַרְדָּל – chardál (Senfkorn) gebildet ist. Sie zeigt, wie stark das „Zittern“ im Alten Testament mit Ehrfurcht, Erschütterung und innerer Bewegung vor Gott verbunden ist:
⸻
Wurzel ח־ר־ד – „zittern, beben, erschrecken“
| Buch | Vers | Hebräischer Ausdruck | Übersetzung | Sinnrichtung |
|---|---|---|---|---|
| Jesaja 66,2 | וְאֶל־עָנִי וּנְכֵה־רוּחַ וְחָרֵד עַל־דְּבָרִי | und auf den, der demütig ist und zittert vor Meinem Wort | Ehrfurcht, Demut, Empfänglichkeit für das Wort Gottes | |
| Jesaja 66,5 | שִׁמְעוּ דְּבַר־יְהוָה הַחֲרֵדִים אֶל־דְּבָרוֹ | Hört das Wort des HERRN, die ihr zittert vor Seinem Wort | Gemeinschaft der Gottesfürchtigen, von der Welt verspottet | |
| Hiob 4,14 | פַּחַד קָרָנִי וְרָעַדָּה וְרֹב עַצְמֹתַי הִפְחִידָה | Furcht und Zittern ergriff mich und ließ all meine Gebeine beben | Erschütterung durch die Nähe des Heiligen | |
| Daniel 10,11 | אַל־תִּירָא דָּנִיֵּאל כִּי־מִן־הַיּוֹם הָרִאשׁוֹן… נִשְׁמְעוּ דְבָרֶיךָ | Fürchte dich nicht, Daniel, denn vom ersten Tag an … sind deine Worte gehört worden | Beginn des „Heiligen Zitterns“ in der Vision | |
| 1. Samuel 4,13 | וְלִבּוֹ חָרֵד עַל־אֲרוֹן הָאֱלֹהִים | Sein Herz bebte wegen der Lade Gottes | Angst um das Heiligtum – heilige Sorge | |
| Esra 9,4 | וְאֵלַי נֶאֶסְפוּ כָּל־חָרֵד בְּדִבְרֵי אֱלֹהֵי יִשְׂרָאֵל | Zu mir sammelten sich alle, die zitterten vor den Worten des Gottes Israels | Sammlung der Treuen, die im Gewissen erzittern |
Bedeutungsschichten
| Ebene | Beschreibung |
|---|---|
| Körperlich | Zittern, Erschütterung, Schauder |
| Seelisch | Angst, aber auch Wachheit, hellhörige Empfindsamkeit |
| Geistlich | Ehrfurcht, das „Beben“ der Nähe Gottes – ein inneres Ergriffenwerden, das zugleich bewegt und demütigt |
Verwandte Formen
| Form | Transliteration | Bedeutung |
|---|---|---|
| חָרֵד | chared | der Zitternde, der Ehrfürchtige |
| חֲרָדָה | charādāh | das Zittern, die innere Erschütterung |
| חֶרֶד | chered | bebendes Zittern, manchmal auch Angst |
Bedeutungsschichten
1. Körperlich: Zittern, Erschütterung, Schauder.
2. Seelisch: Angst, aber auch Wachheit, hellhörige Empfindsamkeit.
3. Geistlich: Ehrfurcht, das „Beben“ der Nähe Gottes – ein inneres Ergriffenwerden, das zugleich bewegt und demütigt.
Die Linie zieht sich also von Hiob (Erschütterung vor der Offenbarung) über Samuel (heilige Sorge um die Lade) bis Jesaja (Zittern als Zeichen der Gottesfurcht) – und findet in Jesus’ Wort vom Senfkorn eine Vollendung:
Das „Beben“ ist nicht Angst, sondern die lebendige Bewegung des Glaubens.